Der Lärm vertreibt Geister an Silvester

Heimatvereins-Vorsitzender erklärt Bräuche

NORDKIRCHEN. Silvester wird heute ausgiebig gefeiert, nur die Wenigsten müssen arbeiten. Im 19. Jahrhundert war der Tag für die Männer im Norden Westfalens alles andere als ein Feiertag, denn dann übernahmen die Frauen für kurze Zeit das Regiment: Die Männer mussten sich an diesem Tag um den Haushalt und um die Kinder kümmern, sie mussten tun, was ihnen die Frauen auftrugen.

Besser haben es die Junggesellen aus Salchendorf bei Netphen (Kreis Siegen-Wittgenstein): Seit 1920 gibt es hier den Brauch, dass sich die Junggesellen zu einer „Wurstekommission“ zusammenfinden. Dabei ziehen die jungen Burschen mit einem Wagen durch den Ort. Auf diesem Wagen beleuchten sie kuriose Geschehnisse kritisch und versehen sie mit einem spitzen Kommentar. Am Ende des Umzuges verbrennen sie den Wagen.

Erst gegen 20.30 Uhr dürfen die Frauen dazukommen. Die jüngeren Frauen ziehen unterdessen durch das Dorf und schreiben Neujahrswünsche auf Treppenstufen.

Das neue Jahr wurde früher mit Schüssen aus Gewehren, Pistolen oder selbstgemachten Böllern begrüßt. Man böllerte gerne mit Karbid in Milchkannen. Weil durch die selbstgemachten Böller viele Unfälle passierten, wurde das Neujahrschießen bereits im 17. und 18. Jahrhundert von den Behörden verboten. Daran hielt sich aber kaum jemand.

In Nienberge bei Münster gab es früher das Neujahrshämmern. Dabei versammelten sich der Schmied und seine Gesellen um den Amboss. Mit einem lustigen Ping-Pong-Takt hämmerten sie zunächst das alte Jahr aus. Um Mitternacht gab der Schmied mit zwölf lauten Schlägen das neue Jahr bekannt.

Magischer Übergang

Egal ob geböllert oder gehämmert wird: Die Lärmbräuche sollen die bösen Geister, die in der Silvesternacht besonders gefährlich sein sollen, abwehren und vertreiben. Gleichzeitig sind sie aber auch Ausdruck der Freude und Festlichkeit. In ganz Westfalen ist der Brauch verbreitet, in der Silvesternacht die Zukunft zu befragen. Der Glaube an den magischen Übergangs- und Jahresanfangszauber schlägt sich in Glücksbringern wie Schornsteinfegern, Kleeblätter und Bleigießen und anderen Orakelsprüchen nieder. Dabei soll der Anfangszauber immer die Zukunft des Beglückwünschten positiv beeinflussen.

Dem weit verbreiteten Bleigießen werden nicht nur Aussagen über Glück, Reichtum und Leid zugeschrieben, es gilt gleichzeitig auch als Liebesorakel: Dabei werden aus der Form des erkalteten Bleis Charaktereigenschaften und Namenszüge des künftigen Partners gedeutet.

Früher gab es noch andere Liebesorakel. So stellten sich die Töchter einer Familie mit dem Rücken zueinander im Kreis auf und warfen über ihren Kopf einen Pantoffel. Zeigte der Pantoffel mit seiner Spitze zur Tür, so deutete das daraufhin, dass diese Tochter zuerst das Haus verließ und heiratete.